Auf dem zunehmend enger werdenden Kandidat:innen-Markt ist eins längst klar: nur wer die eigene Zielgruppe kennt, hat Erfolg im Recruiting. Besonders in Bereichen wie Handwerk und Pflege, aber auch bei IT-Expert:innen, Sales- und Marketingkräften oder im Engineering ist Zielgruppenkenntnis der Schlüssel zum Erfolg. Was das für uns als Personalberatung bedeutet, erläutert Holger Resack im Interview.
Fangen wir ganz vorne an: Warum ist der Fokus auf Zielgruppen im Recruiting so wichtig geworden?
Im Unterschied zu früher, wo weniger Kanäle zur Verfügung standen und eine allgemein gehaltene Suchstrategie oftmals schon gereicht hat, um sich vom Wettbewerb abzuheben, sind viele Organisationen heute deutlich differenzierter in der Ansprache potentieller Bewerber:innen. Dazu hat sich die Erwartungshaltung der Kandidat:innen stark entwickelt: sie möchten in den von Ihnen genutzten Kanälen und in ihrer „Sprache“ adäquat angesprochen werden. Wer dies tut, wird das Interesse der richtigen Personen wecken können und diese im besten Fall zu einer Bewerbung bewegen. Unterschiedliche Zielgruppen haben dabei unterschiedliche Erwartungen, und die gilt es zu erfüllen – ansonsten geraten Unternehmen schnell ins Hintertreffen.
Wenn man weiß, wo man nach passenden Kandidat:innen suchen muss und wie man sie am besten anspricht, dann spart das außerdem Zeit und Kosten, indem Recruiting-Kampagnen effizienter gestaltet werden können. Eine gezielte Ansprache über passende Kanäle sorgt für eine effektivere Reichweite und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Bewerbungen. Gleichzeitig stärkt man damit das Employer Branding, das in den letzten Jahren ebenfalls immer entscheidender für eine erfolgreiche Talent Attraction geworden ist.
Zusammengefasst: ohne Fokus auf Zielgruppen und definierte Candidate Personas verlieren Unternehmen nicht nur Zeit und Geld, sondern gewinnen vor allem keine passenden Kandidat:innen – und ohne passende Kandidat:innen keine Stellenbesetzungen. Es ist also entscheidend für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.
Und woher weiß man, welche Kanäle für die jeweilige Zielgruppe geeignet sind?
Vieles lässt sich hier aus der Analyse der Zielgruppe und einer guten Definition der Candidate Persona ableiten. Demografische Merkmale, Verhalten und Präferenzen sollten dabei unbedingt einbezogen werden. Jüngere Menschen, die sich zum Beispiel noch in der Ausbildung befinden, sind oft auf Social Media aktiv, während erfahrene Vertriebsexpert:innen sich eher auf beruflichen Netzwerken wie LinkedIn oder XING bewegen. Dazu gibt es die klassischen Anzeigenportale wie Stepstone, Experteer und Indeed, welche ebenfalls unterschiedliche Zielgruppen adressieren.
Ähnliches gilt für Pflegekräfte oder Handwerker:innen: diese Personen wird man nicht auf LinkedIn finden, aber im Zweifel über lokale Jobbörsen oder Social Recruiting Ads erreichen. Umfragen, Marktstudien und Benchmarking können hier natürlich auch sehr hilfreich sein. Und last but not least: Erfahrung. Gerade im Austausch mit verschiedenen Zielgruppen lernt man, welche Plattformen oder Wege der Ansprache funktionieren und welche eher ungeeignet sind. Aus diesem Grund haben wir bei uns verschiedene Teams installiert, die sich jeweils auf eine Zielgruppe spezialisiert haben. Unser Team „Skilled Recruiting“ bespielweise besteht aus Expert:innen für Blue Collar, Care Collar und Support Work. Das Team „Corporate“ weiß ganz genau, wie man Sales-, Marketing- und Finance-Kandidat:innen findet. Und die Teams „IT“ und „Engineering“ sind wiederum auf ihre eigenen Zielgruppen fokussiert.
So stellen wir sicher, dass unsere Kunden immer genau die Berater:innen an die Seite gestellt bekommen, die sich perfekt mit der dort gesuchten Zielgruppe auskennen. Dazu haben wir unsere Schnittstellenteams, die sich zum Beispiel besonders in der Gen-Z oder auch dem Auslandsrecruiting bewegen.
Wie kann ich langfristig sicher sein, dass ich wirklich die passenden Kanäle bespiele und kein Geld verbrenne?
Hier kommt mein Lieblingsstichwort ins Spiel: Data Driven Recruiting. Ohne Daten funktioniert es nämlich genauso wenig wie ohne definierte Zielgruppen – es sei denn, die Budgets sind zweitrangig. Egal, in welcher Zielgruppe man rekrutiert, sollte man immer einen Überblick über alle genutzten Kanäle und relevante Kennzahlen haben, um diese jederzeit zu monitoren, vergleichen und gegebenenfalls anpassen zu können. Diese Budget-Analyse und -Allokation gehört in unseren Projekten zum Standardprogramm, ebenso Dashboards zu installieren, mit denen die effiziente Budgetverteilung sichergestellt werden kann. So kann man zu jedem Zeitpunkt sehen, welche Kanäle performen und das Budget entsprechend verteilen. Funktioniert ein Kanal nicht, kann er abgeschaltet werden und das frei gewordene Budget auf einen anderen, besser performenden Kanal umgelagert werden. Dadurch behält man nicht nur die Kontrolle über das Recruiting-Budget, sondern sorgt auch für eine effiziente Bespielung der Kanäle.
Ein ganz praktisches Beispiel: ein Unternehmen muss im Laufe der nächsten 6 Monate 10 Elektrotechniker besetzen – was würden wir dem verantwortlichen Recruiting-Team empfehlen?
Natürlich spielen Faktoren wie die Employer Brand des Unternehmens, das zur Verfügung stehende Budget und die Kapazitäten im Team eine Rolle. Wenn dies stimmig ist und wir einen Blick auf geeignete Sourcing-Kanäle werfen, lassen sich schon einige generische Handlungsempfehlungen ableiten: zuerst einmal befinden wir uns hier im klassischen Blue Collar Recruiting – heißt, wir können klassisches Active Sourcing über LinkedIn oder XING ausklammern, bzw. nachrangig behandeln. Viel wichtiger sind in dieser Zielgruppe fachspezifische Jobbörsen, lokale Plattformen oder das Social Media Recruiting.
Um möglichst effizient agieren zu können, lohnt es sich außerdem, mit Methoden wie dem Programmtic Job Advertisement zu arbeiten, bei denen die Ausspielung von Stellenanzeigen algorithmusbasiert abläuft. Dabei wird das Budget auf die Kanäle konzentriert, die die meisten Klicks und Bewerbungen generieren. Wenn diese Kampagnen attraktiv aufbereitet und in den speziellen Regionen und selbstverständlich mit SEO-optimierten Postings ausgerollt werden, wird das für Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe sorgen. Und dann ist es entscheidend, diese Aufmerksamkeit aufzunehmen und in Bewerbungen und Einstellungen umzuwandeln – das muss alles Hand in Hand gehen und darf nicht zu lange dauern. Wenn man das beachtet und umsetzt, kann man auch Engpassprofile mit überschaubaren Budgets besetzen. In unseren Kundenprojekten haben wir vielfach aufgezeigt, dass das nicht nur in der Theorie toll klingt, sondern auch in der Praxis funktioniert. Recruiting ist eben komplex – aber wenn Unternehmen diesem Thema nicht die richtige Aufmerksamkeit widmen, werden sie dem Wettbewerb langfristig nicht standhalten können.